Studentengeschichte

Abriss der Geschichte studentischer Requisiten und Zeremonien

1. Band und Mütze

Sie sind die augenscheinlichsten Symbole einer Korporationszugehörigkeit. Das Brustband, wie es heute bei fast allen Korporationen üblich ist, ist etwa 28 mm breit und wird von der rechten Schulter zur linken Hüfte getragen. Für die noch nicht vollberechtigten Mitglieder (Füchse) ist es meist zweifärbig, für Burschen und Alte Herren dreifärbig (ein Einfluss der französischen Revolution). Erstmals 1800 nachweisbar, hat es sich bis 1830 allgemein verbreitet. Die Schirmmütze tauchte erstmals 1790 beim Militär auf und wurde von den Studenten im Zuge der Napoleonischen Befreiungskriege übernommen. Es haben sich zahlreiche Formate entwickelt, wie z.B. steif, halbsteif, schlapp, groß, klein, Biedermeier, Hinterhauptcouleur usw. Die studentische Umgangssprache kennt für die Mütze auch die Bezeichnung "Deckel". Eine Sonderform stellt der Stürmer dar, der um 1840 aus der polnischen Reitermütze entstanden sein dürfte und in Bonn beispielsweise Österreichermütze genannt wurde. Er wurde sowohl in der üblichen Mützenfarbe als auch in Weiß getragen und ist heute nur mehr selten gebräuchlich. Meist nur den Alten Herren vorbehalten ist die "Biertonne", eine keine, weiche schirmlose Kopfbedeckung. Jede Verbindung hat ihre eigenen Farben mit einem bestimmten Symbolgehalt, die oft lokale Bezüge (Stadt- oder Landesfarben) aufweisen. Die beiden Enden des Bandes werden durch einen Bandknopf, meist aus emailliertem Metall oder gelegentlich auch aus Porzellan zusammengehalten. Das Weinband, halb so breit wie das Burschenband, wird zum Smoking getragen, und das Sektband, halb so breit wie das Weinband, zum Frack.

2. Wichs

Das studentische Festkleid wird Wichs genannt (von wichsen, das heißt glänzend machen). Es wird nur zu bestimmten Anlässen von den Funktionären der Verbindung (Chargen) oder ihren Vertretern getragen. Der Träger der Wichs ist ein Chargierter.

Zur Wichs gehören folgende Teile: Als Kopfbedeckung ein Cerevis (klein, steif, bestickt und schirmlos, leitet sich möglicherweise von der Stirnplatte des Stürmers her) oder ein Barett (die älteste in unseren Breiten bekannte Form der Kopfbedeckung, schirmlos, oft mit einer Straußenfeder als Schmuck). Der Fuchsmajor trägt oft den Fuchsenschwanz als Zeichen seiner Funktion an seiner Kopfbedeckung. Der Flaus (kommt von Vlies, das heißt wollener Rock), meist in der Mützenfarbe oder schwarz, mit seinen Verschnürungen ist die Nachbildung des Waffenrockes der Husaren. Den gleichen Ursprung hat die weiße Hose, auch Bux (das heißt aus Bocksleder) genannt. Die Beine stecken in schwarzen Stiefelschäften, auch Kanonen genannt (vom lateinischen canna = Rohr). Um die Hüfte trägt der Chargierte unter dem Flaus das Gehänge, das sind Lederriemen, an denen der Schläger hängt, der an der linken Seite geführt wird. Über dem Flaus wird eine Schärpe in den Verbindungsfarben getragen. Außerdem gehören Stulpen und weiße Handschuhe zu dieser Kleidung. Studenten der Montanistik aus Leoben tragen anstelle des Flauses einen Biberstollen, das ist die besondere Form eines Bergmannkittels.

Ein österreichisches Unikat ist die Kleidung des Fuchsmajors des Corps Frankonia Brünn zu Salzburg. Sie besteht aus einem Frack mit Leibbinde in den Fuchsenfarben, das Burschenband wird über dem Frack getragen und als Kopfbedeckung dient ein Zweispitz.

3. Fahne

Wie in jeder Gemeinschaft so hat auch bei den Studentenverbindungen die Fahne einen besonderen Symbolwert, und auf sie werden oft die Gelöbnisse abgelegt. Sie ist meist kunstvoll mit symbolischen Darstellungen der Verbindungsprinzipien bestickt und daher entsprechend schwer und kostbar, weshalb viele Verbindungen außerdem eine einfachere Reisefahne besitzen. Von den Fahnenpaten oder sonst aus besonderen Anlässen werden auch Fahnenbänder gestiftet.

4. Bier-, Wein- und Sektzipfe

Sie leiten sich von den früher allgemein üblichen Anhängern der Taschenuhr ab, wurden aber auch bei den Zusammenkünften an das Bierglas gehängt, um eine Verwechslung zu vermeiden. Heute sind sie reine Schmuckgegenstände. Sie waren und sind beliebte Geschenke, in die dementsprechend eine Widmung eingraviert ist. Sektzipfe gibt es auch als Geschenk an Damen.

5. Bilder

Auch die Kunstmalerei nahm sich studentischer Motive und Szenen an, und es entstanden sehr qualitätsvolle Bilder und Porträts. Das bedeutendste in Wien entstandene Ölgemälde "Auf der Mensur" schuf Johann Michael Kupfer 1886, wobei alle dargestellten Personen nach naturgetreuer Vorlage abgebildet sind. Aus älterer Zeit ist das von dem österreichischen Biedermeiermaler Josef Dannhauser geschaffene Gemälde "Scholarenzimmer" bekannt, auf dem sich der Künstler als Student mit Mütze selbst darstellte. Das Revolutionsjahr 1848 brachte auch eine Reihe von bedeutenden Gemälden hervor, so u.a. das von dem Miniaturmaler Moritz Daffinger angefertigte Bild "Akademischer Legionär 1848", einen "Akademischen Legionär" von dem Architekten der Wiener Oper Eduard van der Nüll, "Die erste Barrikade der Studenten am Lichtensteg in Wien am 25. und 26. Mai 1848" von Stögermeyer sowie den "Auszug der Tiroler Studenten in Wien unter Adolf Pichler und Joachim Haspinger zur Verteidigung der Südtiroler Landesgrenze 1848" von Alois Schön sowie von dem gleichen Künstler den "Tod des Dr. Friese". Interessant ist auch das Gemälde eines unbekannten österreichischen Malers um 1848 "Marketenderin der Akademischen Legion".

Um die Jahrhundertwende widmete sich eine ganze Reihe von bedeutenden Künstlern, die teilweise selbst Angehörige von Korporationen waren, couleurstudentischen Motiven. Erwähnt seien beispielsweise Alfred Cossmann, Rudolf Pöpl, Gottlieb Theodor Kempf von Hartenkampf, Karl Friedrich Gsur, Ernst Kutzer, Carl Fischer-Köystrand, Wilhelm Hans Braun, Philipp Schumacher, Karl Alexander Wilke, Rudolf Parsch, der Secessionist Heinrich Revy, Alwin Arnegger, Viktor Olbrich, Richard Assmann, Amadeus-Dier sowie die Karikaturisten Karl Feiertag, Carl Josef und Fritz Schönpflug. Viele dieser Schöpfungen dienten als Vorlage zu den damals sehr verbreiteten Couleurkarten (Couleur-Postkarten).

6. Couleurkarten

Alle Nuancen vom Kitsch bis zum Kleinkunstwerk finden wir schließlich auf den tausend verschiedenen Motiven von Couleurkarten. Als erstes Land der Welt führte Österreich 1869 die Postkarte ein, die bald von den meisten Staaten nachgemacht wurde. Die zunächst leere Rückseite der Karte lud natürlich zu bildlichen Darstellungen ein. So entstanden die Ansichtskarten ebenso wie die Couleurkarten, von denen man eigentlich drei Arten unterscheiden kann: Die Lied- und Genrekarten, die Karikaturkarten und Korporationskarten. Die Lied- und Genrekarten zeigen in stark romantisierender biedermeierlicher Form allgemein-studentische Szenen (wandernde Studenten, Abschieds- und Liebesszenen, Karzer, Kneipen, usw.). Die Karikaturkarten wurden ebenso von Verlegern nach geschäftlichen Motiven herausgebracht. Waren sie zunächst nur ironisch übersteigerte Darstellungen, wie z.B. von Fritz Schönpflug, so wurden später ausgesprochen gehässige, herabsetzende Bilder daraus. Die Korporationen selbst brachten schließlich auch eine Reihe von Postkarten heraus, vor allem mit ihrem Wappen, dazu eventuell noch der Wahlspruch oder der Hinweis auf einen besonderen Anlass. Spezifische Ansichtskarten zeigen meist für die Korporation bedeutende Gebäude (Verbindungshaus) oder Orte. Die Allegoriekarten schilderten in historisierender Weise die Ideale einer Korporation, personifizierten den Verbindungsnamen (Austria, Germania) oder versuchten durch Chargierte, Sänger, Fechter usw. die Ausrichtung der Verbindung zu versinnbildlichen. Zu den Erinnerungskarten gehört etwa die Abbildung der Gründer oder des Fuchsenstalles eines bestimmten Semesters.

7. Rauchutensilien

Obwohl man einst der Meinung war, dass durch das "Tabaktrinken" das Gehirn schwarz würde, ließen sich die Studenten dadurch von dieser neuen Attraktion, die sie bei die Soldaten im Dreißigjährigen Krieg kennen gelernt hatten, nicht abhalten. Anfangs rauchte man aus den leicht zerbrechlichen langen weißen holländischen Tonpfeifen. Sie wurden von den Pfeifen mit weißen Porzellanköpfen abgelöst. Diese Pfeifen hatten oft einen sehr langen Holm, sodass der Raucher sie nicht halten musste, sondern auf den Boden stellen konnte. Bald nahmen sich findige Porzellanmaler der Pfeifenköpfe an und verzierten sie mit einer Fülle von sehr individuellen Korporationssymbolen und Silhouetten. Tabakdosen, Pfeifenstopfer (oft als "Flohbein" aus Porzellan), Aschenbecher, Gluttöter, Feuerzeug und Zündholzbehälter als notwendige Utensilien wurden ebenfalls studentisch verziert, in geringerem Umfang gab es daneben auch Zigarrenkistchen, Zigarrenabschneider und Zigarrenetuis.

8. Wappen

Das studentische Wappen wurde eigentlich von den Porzellanmalern erfunden, die damit die nackten weißen Pfeifenköpfe verzierten. Die zunächst willkürliche Kombination von Schlägern, Gründungsdatum, Wahlspruch, Farben, Zirkel, Eichen- oder Lorbeerlaub usw. wurde Bundeszeichen genannt. Erst allmählich bildeten sich gewisse Leitlinien für die Gestaltung heraus, doch fanden die Regeln der Heraldik nur begrenzt Anwendung, sodass auch heute noch die Verbindungswappen eine eigene Spezies darstellen. Die Wappenfelder sind nun meist der symbolischen Darstellung der Verbindungsprinzipien gewidmet, in einem Wappenfeld finden sich dabei oft, wie bei den Namen und den Farben, lokale Bezüge.

Die Wappen wurden auf Holz oder Blech gemalt und häufig auch an der Straßenseite des Hauses, in dem sich das Verbindungsheim befand, angebracht. Daneben gibt es auch recht kunstvoll geschnitzte Holzwappen.

9. Budenbuch und Bierzeitung

Bei den einzelnen Veranstaltungen ist es üblich, dass sich die Teilnehmer und Gäste in ein meistens mehrere Jahre in Verwendung stehendes und daher entsprechend dickes Buden- oder Kneipbuch eintragen. Man stellt heute mit Erstaunen fest, welche Liebe und Sorgfalt bei den für jede Veranstaltung eigens gezeichneten Illustrationen aufgewendet wurden. Zur Unterhaltung der Teilnehmer war es üblich, dass vorher bestimmte Mitglieder eine Kneip- oder Bierzeitung zu verfassen und zu verlesen hatten, in der Ereignisse jeglicher Art (oft mit Bezug auf die Tagespolitik oder das Verbindungsgeschehen) parodiert wurden. Diese Bierzeitungen wurden später entweder fortlaufend in ein Buch eingetragen oder gebunden. Die ältesten in Österreich noch erhaltenen Zeitungen dieser Art stammen aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

10. Gesang und Musik

Sangesfreude zeichnete die Studenten von jeher aus. Die älteste erhaltene Liedersammlung ist die Carmina Burana aus dem 12. Jhdt. Gab es damals nur handschriftliche Sammlungen, so erschienen seit dem 17. Jhdt. auch gedruckte Sammlungen, die Kommersbücher, die zum Teil kunstvoll illustriert waren. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hörte diese Vielfalt allerdings ziemlich auf, und heute gibt es nur mehr wenige überregionale Liederbücher, scherzhaft auch Cantusprügel genannt. Begleitet wird der Gesang gelegentlich von einem Klavierspieler (Kistenschinder, Bierorgler), die einst üblichen Mandolinen und Gitarren sind fast verschwunden. Eine ganze Reihe von studentischen Melodien wurde von namhaften Komponisten in ihre Werke aufgenommen und bearbeitet, neben Mozart sind beispielsweise Suppé, Brahms, Offenbach und von Einem zu nennen, und selbst die moderne Schlagerindustrie ebenso wie der Wienerlied-Komponist Hermann Leopoldi haben Beiträge zu diesem Thema geleistet. Eine besondere Form musikalischer studentischer Unterhaltung ist die Bieroper, die noch bis in die zwanziger Jahre beliebt gewesene Parodie auf klassische Stoffe, die erst in jüngster Zeit gerade von Wien aus sich wieder mit erstaunlichem Erfolg verbreitet.

11. Ehrungen

Wie in jeder Gemeinschaft ist es auch bei Studenten üblich, für besondere Leistungen und Verdienste in spezifischer Form zu danken. Die einzelnen Abstufungen sind unterschiedlich, und auch nicht überall sind alle der folgenden Formen gebräuchlich. Zu nennen sind das gestickte Dankesband, der Ehrenring, die Verleihung von Ehrentiteln und Plaketten. Bei - den Ehrentiteln ist als besondere Form die Promotion zum "Doctor cerevisiae et vini" zu nennen. Ursprünglich war dies eine Parodie auf den von den Universitäten verliehenen akademischen Grad, den man durch Ablegung bestimmter Examina (z.B. in Trink- und Sangesfestigkeit) erlangen konnte. Heute ist nur mehr eine Promotion honoris causa möglich, die bei vielen Verbindungen als die höchste Ehrung gilt und nur selten vorgenommen wird. Neben den Verbindungen ist auch bei den verschiedenen Korporationsverbänden die Möglichkeit vorgesehen, dass der Verband besondere Ehrungen vornehmen kann.

12. Literatur

Die studentische Literatur kann (außer den Lieder- und Notenbücher) wohl grob gesprochen in zwei Bereiche geteilt werden, nämlich in den der Publikationen, Handbücher und Zeitschriften, die die Verbindungen und Verbände für ihren eigenen Bedarf herausgeben, und jenen der vorwiegend in Romanfrm gekleideten Memoiren und frei erfundenen Erzählungen. Die einschlägigen Bestände des Institutes für Hochschulkunde umfassen etwa 30.000 Titel, woraus der Umfang dieser Literatur zu erkennen ist. Nur zwei besonders seltene Titel sollen herausgegriffen werden: Die "Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlich gewesenen Pennal-Wesens, abgefasst von Christian Schöttgen", die 1747 erschien, und "The students-life of Germany" von William Howitt, erschienen 1841 in London.

13. Landesvater

Der Landesvater-Brauch ist aus zwei Wurzeln entstanden, nämlich einerseits aus dem Vivat-Bringen (auf den Landesherrn, einen beliebten Professor, das angebetete Mädchen usw.) und andererseits das Bruderschaftstrinken, beides mindestens schon im 16. Jhdt. üblich. Im 18. Jhdt. wurde dieser Brauch, bei dem als symbolischer Ausdruck der Opferbereitschaft die Kopfbedeckung reihum durchbohrt wurden, fester Bestandteil jeder studentischen Zusammenkunft. 1782 erhielt die Zeremonie ihre noch heute gebräuchliche feierliche Form. Ältestes Zeugnis für diesen Brauch bei uns und gleichzeitig für den Bestand eines Studentenordens in Wien ist ein Ölbild, das angeblich zur Erinnerung an eine derartige 1788 in Anwesenheit von Kaiser Joseph II. in einem Währinger Gasthaus abgehaltene Zeremonie gemalt wurde. Etwa 40 Jahre später wurde von dem Bild auch ein Stich hergestellt.

14. Korporierte im öffentlichen Leben

Die Vielzahl jener bedeutenden Männer, die einer Korporation angehörten und das politische, wissenschaftliche und kulturelle Leben Österreichs bis in die Gegenwart prägten und prägen, muss jede Auswahl zum Problem machen, doch lässt sich auch schon anhand weniger Namen das breite Spektrum unterschiedlicher Ideologien und Tätigkeitsbereiche erkennen. Stellvertretend seien beispielsweise genannt: Victor Adler, Anton Bruckner, Theodor Herzl, Wilhelm Miklas, Hermann Bahr, Ignaz Seipel, Heinrich Klang, Leopold Figl, Arthur Koestler und Albin Skoda, Rudolf Kirchschläger.
Auszug aus: Dr. Peter Krause "Studentisches Brauchtum"